Die 1. Bekenntnissynode der BK gegen Irrlehre und Übergriffe der DC - Anspruch und theologische Grundlegung

Der Bekenntnisgottesdienst am 3.6.1934 wurde zur Geburtsstunde der BK in Schleswig-Holstein, ihr offizieller Name ist: "Gemeindebewegung lutherische Kirche", mit über 6.000 zahlenden Mitgliedern im ganzen Land wurde sie in der Tat eine echte Gemeindebewegung. Sie wurde geleitet von einem Bruderrat, bestehend aus den Leitern der NAG Pastor Bielfeldt/Rendsburg, Pastor lic. Herntrich/Kiel und Prof. K. D. Schmidt/Universität Kiel, ergänzt durch die Pastoren Wester/Westerland, Prehn/St. Peter, Dr. Pörksen/Breklum, Treplin/Hademarschen und Halfmann/Flensburg.

Der Bruderrat war in seinem Denken und Selbstverständnis nicht homogen, ein Grunddissens bestimmte ihn bis zum Ende der Nazi-Zeit: Sind wir die legitime Leitung der Landeskirche, also die "wahre Kirche", oder sind wir nur eine Gruppierung neben anderen, neben den DC, der Deutschkirche, der Lutherischen Kameradschaft, die bekenntnistreu, aber nicht BK war? P. Wester trat für den schärferen Kurs ein, P. Halfmann für den konzilianteren, er sah die faktischen Bedingungen kirchlicher Arbeit in Schleswig-Holstein anders als sein Bruder Wester und wohl auch realistischer. Es gab im Bruderrat scharfe Differenzen, aber man blieb zusammen, er spaltete sich nicht.

Klarheit über Selbstverständnis und Auftrag der BK Schleswig-Holstein sollte eine Synode schaffen, die 1. Bekenntnissynode in Schleswig-Holstein. Wie sollte sie zustande kommen in einer Kirche, die dafür gar keine rechtlichen Bestimmungen hatte? Gemeinde- und Propsteiwahlen waren unmöglich. Also wurden Propstei-Vertrauensmänner aufgerufen, sich nach geeigneten Männern umzusehen und sie dem Bruderrat zu melden. Das war nicht legal, aber legitimer als die Konstituierung der "braunen Synode" vom September 1933. Präsident der 1. Bekenntnissynode wurde Pastor Tramsen/Innien. Diese Synode fand statt am 17. Juli 1935 in der Jürgenskirche/Kiel, die es heute nicht mehr gibt. Sie stand unter dem Leitwort, das wir auf der Einladung zu unserer Tagung abgedruckt haben: "Was vor Gott recht ist".

Das ist das uns fremd gewordene kämpferische Pathos, das diese Synode bestimmt: unserer Landeskirche droht unabsehbarer Schaden, wir müssen jetzt kämpfen für das, was vor Gott recht ist, und sagen, was gesagt werden muss.

Pastor Halfmann setzt mit der Eingangsandacht über zwei Verse aus der Apostelgeschichte einen Akzent, der sich nach meiner Beobachtung durch die verschiedenen Phasen des Kirchenkampfes hindurch zieht. "Petrus aber und Johannes antworteten und sprachen zu ihnen: Richtet ihr selbst, ob es vor Gott recht sei, dass wir euch mehr gehorchen denn Gott. Wir können's ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben" (Apg. 4,19.20).

Besser und knapper kann man eine Bekenntnissituation nicht zusammenfassen, als es Halfmann tut: "Was recht ist vor Gott, das ist der Maßstab, nach dem gerichtet werden muss. Was recht ist vor Gott, das ist der Maßstab, der zuletzt und zuhöchst in der Kirche gelten muss. Was recht ist vor Gott, das ist der Maßstab, um dessentwillen die Kirche überhaupt eine Daseinsberechtigung in der Welt hat. Die Kirche ist in der Welt der Ort, wo gerade diese eine und radikale Frage gestellt wird: Was ist recht vor Gott?" Es gibt Zeiten, in denen diese Frage und ihre Dramatik nicht so zu spüren sind, aber "heute ist unsere Kirche wieder hineingeführt in eine solche Zeit der Auferweckung und des Kämpfens und des Bekennens, ... unter uns ist wieder diese letzte, einfache Grundfrage aufgewacht: Was ist recht vor Gott?" Mit Tillich hätte Halfmann sagen können: Der Kairos ist da! Die Krise ist da, die zur Unterscheidung und zur Entscheidung zwingt.

Mit der Kairos-Erkenntnis verbindet sich ein starkes Selbstbewusstsein und ein außergewöhnlicher Anspruch: "Wenn wir heute sagen: wir können's ja nicht lassen zu reden, dann tun wir das nicht als eine Gruppe eigenwilliger Menschen oder Sektierer, sondern es ist die Stimme der Kirche, die sich durch uns bekennend erheben will." Man merkt: bekennen und Bekenntnis sind zentrale Stichworte geworden, Signalworte, die eine neue Identifikation schaffen, die es wahrscheinlich vorher in dieser Deutlichkeit nicht gegeben hatte.

Halfmann sagt: "Das heißt Bekenntnis: öffentlich vor dem Volk Zeugnis ablegen. Und wir werden dazu getrieben, weil wir mit Schmerzen sehen, wie unsere Kirche in ihren amtlichen Organen sich mit solchem Bekenntnis zurückhält." Also: Wir haben eine Stellvertreterfunktion, wir tun, was der ganzen Kirche aufgetragen ist. Deswegen sind wir keine Sondergruppierung, keine "Winkelkirche", keine Randerscheinung - was wohl der BK vorgeworfen wurde -, sondern wir sind öffentliche Kirche, wir sind Volkskirche, "wo öffentlich das Wort Gottes ausgerufen und öffentlich der Name Christi bekannt wird". Diesen Anspruch geben wir nicht auf, wir beschränken das Bekenntnis nicht "auf den Innenraum der Kirche und der Privathäuser".

Die BK ist eine öffentliche Kirche - das ist und bleibt ein entscheidendes Kriterium. Eine mutige Stimme der Kirche wird erwartet, sagt Halfmann, weil viele Menschen "unter den christentumsfeindlichen Bewegungen der Zeit und unter dem religiösen Wirrwarr, das mit angemaßtem politischem Anspruch auftritt", leiden. Halfmann redet nur andeutungsweise von der Allianz zwischen den theologischen Verirrungen und den neuen politischen Verhältnissen, aber es wird schon deutlich -1935 -, dass er eine Situation spürt, in der es um einen Generalangriff auf den christlichen Glauben geht.

Noch ist es so, sagt er, dass "die weitaus größte Zahl deutscher Menschen getauft ist. Das legt der Kirche eine ungeheure Verantwortung auf ... Wir schulden unserem Volk die Predigt aus dem Wort Gottes. Nicht eine Predigt, die seinen natürlichen Instinkten schmeichelt oder die geboren ist aus der trüben Mischehe aus Christentum und Heidentum, sondern eine Predigt, die klar herausquillt aus dem Wort Gottes und die bezeugt, dass in keinem anderen Heil ist, auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben ist, als allein der Name Jesus Christus. Wir fürchten für unser Volk kein größeres Unheil, denn dass solche Predigt unter uns erstürbe."

Ich bin etwas ausführlicher geworden, weil in dieser Andacht die Ziele und Grundlagen der BK SH in erstaunlicher Klarheit erkennbar werden: die BK ist keine theologische oder kirchenpolitische Partei, sie steht nicht in irgendeiner Ecke, sondern sie vertritt, weil andere es nicht tun, was Sache der ganzen Kirche ist. Sie ist öffentliche Kirche mit der Christus-Botschaft für alle, (das nannte man Volksmission), sie antwortet öffentlich auf christentumsfeindliche Angriffe, sie nimmt den Weltanschauungskampf auf, sie setzt sich für biblische Unterweisung der Jugend ein, und sie erhebt den Anspruch, damit der Allgemeinheit, dem Volk, einen guten und notwendigen Dienst zu leisten, täte sie es nicht, wäre es ein Unglück für alle.

Dieses Konzept, dieses Programm "Was recht ist vor Gott" ist in seiner Anlage und in seinen Folgerungen erstaunlich. Man merkt hier schon anhand des Textes einer kurzen Andacht vor einem sehr wichtigen Ereignis, zu dem es bisher in SH keine Parallele gegeben hat, wie sich ein Zentralanliegen dieses Pastors Halfmann herausschälte, das später immer deutlicher wird, nämlich das Amt zu qualifizieren, dem diese Öffentlichkeit, dieses publice docere des Evangeliums, diese geistige Auseinandersetzung, dieser Kampf mit dem Irrglauben und dem Zeitgeist in besonderer Weise aufgetragen ist. Das war nur logisch in einem Konzept von Kirche Jesu Christi als Antwort auf eine Irrlehre, die die Kirche in einen Abgrund gerissen hätte.

Karl Ludwig Kohlwage

Aus: Karl Ludwig Kohlwage, Manfred Kamper, Jens-Hinrich Pörksen (Hrsg.): "Was vor Gott recht ist". Kirchenkampf und theologische Grundlegung für den Neuanfang der Kirche in Schleswig-Holstein nach 1945. Dokumentation einer Tagung in Breklum 2015. Zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Hinz und Simeon Schildt in Zusammenarbeit mit Peter Godzik, Johannes Jürgensen und Kurt Triebel, Husum: Matthiesen Verlag 2015, S. 19 ff.