Die 1. Vorläufige Landessynode vom 14. bis 16. August 1945 in Rendsburg

Die 1. Vorläufige Landessynode kam zustande, unter schwierigsten Umständen. Exemplarisch mag sein, was von den Synodalen aus Altona und Pinneberg berichtet wurde. Für sie war eine Fahrt nach Rendsburg mit dem Wagen eines privaten Fuhrunternehmers organisiert worden, eine Panne vereitelte diesen Transport. In letzter Stunde, wie es heißt, wurde die Fahrbereitschaft der Polizei in Altona um Hilfe gebeten, die auch tatsächlich half und die Synodalen noch pünktlich nach Rendsburg brachte. Jahre später schreibt Bischof Halfmann: "Die Bedeutung dieser Synode liegt nicht nur in ihren Ergebnissen, sondern in der Tatsache ihres Stattfindens", das war nicht gewährleistet.

Die Eröffnung dieser Synode mit ca. 100 Synodalen aus dem ganzen Bereich der Landeskirche war keine Routine, wie wir sie kennen, sondern ein ganz besonderes Ereignis: die erste Synode nach 12 Jahren! Missionsdirektor Dr. Martin Pörksen hielt die Predigt im Eröffnungsgottesdienst, gab sozusagen auf diesem ersten großen öffentlichen Forum eine Antwort auf die Frage "Wie sollen wir heute predigen?" Predigttext war ein Abschnitt aus dem 1. Samuelisbuch (12,20-25) mit den Kernversen (in der damaligen Textversion): "Fürchtet euch nicht! Ihr habt zwar das Übel alles getan; doch weichet nicht hinter dem Herrn ab, sondern dienet dem Herrn von ganzem Herzen ... Aber der Herr verlässt sein Volk nicht um seines großen Namens willen; denn es hat dem Herrn gefallen, euch ihm selbst zum Volk zu machen."

"Wir leben. Wir dürfen als Kirche arbeiten. Wir dürfen Synode halten. Dafür sind wir dankbar." Schon das ist Gnade, aber von wem erwarten wir den Neuanfang? Wir stehen vor Gott als Schuldige, so beginnt Pörksen die geistliche Deutung der Katastrophe. "Wir haben das Entscheidende von Menschen und Mächten erwartet, aber nicht von Gott ... mit seinem 1. Gebot: 'Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andre Götter haben neben mir' klagt er selbst als Herr der Geschichte uns an. Denn darum ging es während des letzten Jahrzehnts: um das erste Gebot. Neben Gott traten die Götter. Die Götzen der Zeit wollten den Herrn der Ewigkeit entthronen ... Wie immer nach einem verlorenen Krieg werden die Schuldigen gesucht. Wir stehen hier heute vor Gott und bekennen, dass das letzte Urteil über uns und unser Volk Gott, Gott allein, zusteht. Aber wir bekennen zugleich: wir sind die Schuldigen. Wir haben das 1. Gebot übertreten ... Die letzte Synode hier in Rendsburg rechtfertigte das Führerprinzip in der Kirche und den Einbruch der politischen Mächte in den Raum der Kirche. Das ist unsere Schuld, die wir heute vor Gott, bekennen. Viele von uns waren Gegner dieser Synode, aber wir haben nicht genug widerstanden, haben uns den Verhältnissen gebeugt und nicht alles von Gott erwartet. Von dem festen Fundament des 1. Gebots, von dem tragenden Grund göttlichen Heils gerieten wir mit unserem Volk auf die schiefe Ebene und rasten in immer schnellerem Tempo dem Abgrund zu. Das musste so kommen ... Gott lässt sich nicht spotten." "Ist das Absturz in den Nihilismus, in die totale Hoffnungslosigkeit? Nein! Im Gericht stehen wir vor Gott, der spricht: 'Fürchtet euch nicht, ihr habt zwar das Übel alles getan, aber weicht nicht von Gott, dient Gott'." Das ist der Ruf zum Neuanfang. "Wir dürfen in der Gewissheit der Vergebung in neuem Gehorsam von neuem beginnen, und das heißt Gott gehorchen: Alles von Gott erwarten, Gott bedingungslos folgen."

"Der Herr verlässt sein Volk nicht um seines großen Namens willen - diese Worte stehen wie ein Fels. Gott hat die Zukunft seiner Gemeinde unlösbar mit seinem Namen verknüpft. Wir können wohl Gott verlassen, das haben viele getan, aber Gott sagt es seiner Gemeinde zu, dass er uns nicht verlässt. Dafür bürgt er mit seinen Namen."

Es ist Wort-Gottes-Theologie in konzentriertester Art, die sich in einer entscheidenden Stunde als kühne Ineinssetzung mit der Gerichts- und Gnadengeschichte Israels meldet und den Geist des Neuanfangs bestimmt. Das Alte Testament, bis dahin von DC und Nazis als Dokument minderwertiger Religiosität, als "Gift für die deutsche Seele" verachtet, öffnet den Raum, in dem Mut und Vertrauen gegen den Augenschein wachsen können.

"Es hat Gott gefallen, euch ihm selbst zum Volk zu machen - weiß diese Synode das, dann hat sie Vollmacht zu handeln, dann steht die Synode unter Gottes bleibender Zusage, dass auch durch alle kommenden Kämpfe und Nöte hindurch Gott uns nicht verlassen wird, sondern unsere Schleswig-Holsteinische Kirche erhält um seines großen Namens willen. So geht die Saat des Segens auf."

Pörksen schließt mit einem Plädoyer für das Gebet: "Wir brauchen keine von falscher Betriebsamkeit widerhallende Kirche, aber Gemeinden, in denen gebetet wird ... Unser ganzes Volk muss wissen, dass in seiner Mitte eine Kirche dasteht, die priesterlich vor Gott und vor den Menschen für alle eintritt. Jetzt gilt es, aus der Kraft der Fürbitte heraus den Dienst der Wegweisung zu tun. Nicht viele Wege haben wir Menschen zu weisen, sondern Christus ist der Weg und die Wahrheit. Hat sich nicht mit überraschender Klarheit und erschreckender Deutlichkeit heute in der Geschichte offenbart, dass diese Wahrheit allein bleibt? Was sich ewig nannte, überdauerte kein Menschenalter. Aber Christus, die ewige Wahrheit, das Wort Gottes, steht über den Trümmern und wird ewig bleiben."

Kurt Jürgensen urteilt über diese Eröffnung der Synode: "Für die Beratungen der Synode waren die Predigtworte wegweisend."

Bevor diese Beratungen beginnen konnten, hielt Pastor Hans Asmussen als Beauftragter der provisorischen Leitung der EKD ein großes Referat "Die Stunde der Kirche". Pastor Halfmann begrüßte das Kommen von Asmussen und sah darin eine "gesamtkirchliche Approbation" des Vorgehens in Schleswig-Holstein, für ihn eine wichtige innerkirchliche Legitimation bei fehlender formeller Legalität. Ich kann auf dieses Referat nur stichwortartig eingehen.

Asmussen erinnert an den Widerstand der BK gegen theologische Willkür und gegen den menschlichen Geist, der sich zum Schöpfer eigener Wahrheit gemacht hat. "Dieser Widerstand findet seinen höchsten Ausdruck im 1. Satz der Barmer Theologischen Erklärung: Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben." Diese "Grundwahrheit" ist maßgebend für den Neuanfang. Damit rückt der Gottesdienst, in dem dieses "eine Wort Gottes" verkündet, gehört und im Sakrament gefeiert wird, in den Mittelpunkt kirchlichen Lebens. Asmussen sieht eine kirchliche Jugend am Werk, die das verstanden hat und praktiziert. Zentralaufgabe der Predigt ist es, Gott zu loben. "Eine Predigt, die kein Lobopfer Gottes ist, ist sicher keine christliche Predigt."

Die geglaubte und gelebte Bruderschaft unter Pastoren ist eine der wichtigsten Erfahrungen des Kirchenkampfes. Als die "Absetzungsmaschine" der Nazis lief, hat sich diese Bruderschaft in gegenseitiger Hilfe bewährt. "Wir Betroffenen haben nicht gehungert. Die Brüder haben mit uns geteilt ... Wir kommen mit der Verpflichtung gegen Gott, die großen und schönen Erfahrungen unserer schweren Jahre bereichern dem kirchlichen Leben zukommen zu lassen."

Zu den "unveräußerlichen" Erfahrungen der BK gehört, dass die Kirche "Gemeindekirche" sein muss. "Ich glaube mich nicht darin zu täuschen, dass es diese Erkenntnis ist, welche die Brüder bestimmt hat, nach dem politischen Zusammenbruch eiligst eine Synode anzustreben. In der Tat liegt an der gemeinsamen brüderlichen Beratung in der Kirche unendlich viel." Die Synode ist für Asmussen ein zentraler Ausdruck der geschwisterlichen, gemeindlichen Kirche, allerdings muss sie in besonderer Weise qualifiziert sein. Das heißt: "Der um Kanzel und Altar versammelten Gemeinde steht es zu, dass sie den Mund in der Kirche auf tut. Nur im Gottesdienst, bei Gesang, Bekenntnis und Anbetung kann man lernen, die Sache der Kirche zu vertreten."

Zur Gemeindekirche gehört weiter: die Verwaltung muss ein geistliches Fundament haben. "Es ist nur eine Basis denkbar, auf der die kirchliche Verwaltung eine neuen verheißungsvollen Anfang finden kann: sie muss aufgebaut werden auf der festen Grundlage eines bischöflichen Amtes." Diese Forderung, hinter der nicht nur eine katholisierende Idee stand, sondern weitaus stärker die konkrete Erfahrung mit dem staatskommissarischen System, führt direkt zu einer weiteren:

Trennung von Kirche und Staat. "Was in den letzten 12 Jahren geschah, konnte nur darum geschehen, weil das Verhältnis von Staat und Kirche in der ganzen letzten Epoche im Grunde nicht in Ordnung war. Die Kirche war im reformatorischen Zeitalter ein Anhängsel des Staates geworden. Die staatliche Verwaltung war zugleich die kirchliche Verwaltung. Die Konsistorien waren staatliche Behörden." Die verheerende Unordnung konnte nach 1933 in vielen deutschen Landeskirche deswegen Einzug halten, weil der Staat seine alte summepiskopale Funktion wiederentdeckte und praktizierte, um seine Leute und seine Ideologie durchzusetzen, ohne auf Empörung und Widerstand zu stoßen.

das waren Eckpunkte, die erwartungsvoll machten im Blick auf die praktischen Schritte des Neuanfangs.