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Evangelische Frauenarbeit

Dachverband:

Einrichtung: Frauenwerk der Nordkirche

Geschäftsführerin Magda Speetzen, Unsere Frauenarbeit, in: Synodalausschuss (Hrsg.), Gemeindebuch Kiel, Stuttgart: Ev. Verlagswerk 1952, S. 28-31.

Bei ihrer Einstellung 1953 als Leiterin der schleswig-holsteinischen Frauenarbeit erhielt Annemarie Grosch (2014-2005) von Bischof Wester den Auftrag: "Geben Sie der Frauenarbeit ein Gesicht. Sie sind alle furchtbar fleißig, aber sie haben kein Gesicht." Dazu sagt sie rückblickend "Ich bin dem sehr gerne nachgekommen."

In folgenden Bereichen und mit folgenden Zielen hat Annemarie Grosch diese Aufgabe angepackt, der sie so gern nachgekommen war.

1. Arbeitsbereich: Bildungsarbeit

So hat sie - oft Jahre vor der allgemeinen gesellschaftlichen Diskussion - brisante oder tabuisierte Themen aufgegriffen und sie der Frauenarbeit in ihrer Bildungsarbeit zugemutet - von der Frage "Juden und Christen" über "Heimatvertriebene - Versöhnung mit dem Osten", "Entwicklungspolitik", "Friedenspolitik" bis zu "Familienplanung" und "§ 218" - die großen Jahrestagungen in Glücksburg waren in Bezug darauf legendär.

Ganz besonders muss dabei die Arbeit mit biblischen Texten auf der Grundlage der historisch-kritischen Forschung genannt werden, denn das Ziel Selbständigkeit galt bei Annemarie Grosch auch für die theologische Arbeit.

In diesem Zusammenhang ist auch Pastorin Inge Sembritzki erwähnen, die ab 1964 mit Annemarie Grosch gemeinsam diesen theologischen Arbeitsbereich vertrat. Inge Sembritzki selbst sagt dazu in der Festschrift: "Wir haben versucht, die Kluft zwischen der wissenschaftlichen Forschungsarbeit an den Universitäten und dem Wissen um die Bibel in unseren Gemeinden [...] zu verringern. Für uns beide bedeutete das - 20/25 Jahre nach unserem Studium - einen neuen Einstieg in die historisch-kritische Forschung, und wir erlebten ihn fasziniert, oft in langen nächtlichen Telefongesprächen, vor uns die aufgeschlagene Bibel" (Sembritzki: 107).

Dass ab den 80er-Jahren in der Frauenarbeit die feministische Theologie eine so breite Resonanz erhielt, hat m. E. hier ihren Ursprung: In der Frauenarbeit war das eigenständige theologische Arbeiten von kompetenten Bibelleserinnen selbstverständlich.

2. Arbeitsbereich: Müttergenesung

Die Bildungsarbeit war jedoch nur ein Bereich in der Frauenarbeit. Das landeskirchliche Frauenwerk mit Annemarie Grosch engagierte sich von Anfang an in der Arbeit des Müttergenesungswerks.

Müttern, die von ihren vielfältigen Familienaufgaben erschöpft waren, eine Atempause zu verschaffen, war ihr großer diakonischer Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von Frauen. Kur-Häuser in Schleswig-Holstein, in Timmendorfer Strand, später in Büsum, Schmalensee und Dahme waren Orte für dieses Ziel.

Dabei war die Zusammengehörigkeit von leiblicher und seelischer Gesundheit von Anfang an Grundlage der Konzeption von Mütterkuren, später dann auch der Mutter-Kind-Kuren. Annemarie Grosch hat die Kurgemeinschaft der Frauen als eine Gemeinde auf Zeit angesehen, genauso wie Seminargemeinschaften in der Bildungsarbeit und so wurden Kur- und Bildungsarbeit entsprechend gestaltet.

3. Arbeitsbereich: Familienbildungsstätten

Dasselbe galt für sie auch in den Kursen der Mütterschulen, später dann Familienbildungsstätten, die sie ins Leben gerufen hatte: Hier aus christlicher Perspektive Lebenshilfe anzubieten, war ihr angesichts vieler Probleme junger Mütter und Familien ein wichtiges Anliegen.

Bedeutsam und originell erscheint mir dabei die Idee der "Wandermütterschulen" - man störe sich nicht an dem seltsamen Namen: Mitarbeiterinnen der "Mütterschule" in Neumünster und Honorarkräfte in verschiedenen Orten Schleswig-Holsteins bildeten jeweils den Kern von Mütterschulen in Dörfern und Städten überall im Land.

4. Arbeitsbereich: Ökumene

Ein weiterer wichtiger Bereich war für Annemarie Grosch die Ökumene. Sie hat insbesondere den Weltgebetstag von Anfang an gefördert, er hat die Arbeit des Frauenwerkes dank Annemarie Grosch bis heute geprägt und entscheidend dazu beigetragen, die Frauenarbeit zu profilieren und ihr ökumenische Weite und interkulturelle Offenheit zu geben: Einmal in Bezug auf die Länder, aus denen die Ordnung jeweils kam und zum anderen in Bezug auf die Denominationen und Kirchen in den Gemeinden hier, mit denen zusammen der Weltgebetstag vorbereitet und gefeiert wurde.

Aus etlichen Weltgebetstagen haben sich zudem Projekte entwickelt, denn es gab in vielen Kirchenkreisen ein großes Engagement, Brücken zu bauen zu den fernen Schwestern.

5. Die Networkerin Annemarie Grosch

Neben dieser inhaltlichen Arbeit war es Annemarie Grosch wichtig, ein Netzwerk zu bilden für die Verbreitung und den Zusammenhalt der Arbeit. Sie selbst beschreibt das so:

"Als ich anfing waren wir ja in der Landesstelle ganz wenige Mitarbeiterinnen, und die waren bisher damit beschäftigt gewesen, unentwegt im Land herumzureisen und hier mal ein Referat zu halten, da mal ein Frauenhilfsjubiläum zu gestalten. Das war ein Fass ohne Boden und ich fragte mich gleich: Wie kann die Wirksamkeit einer solchen Zentrale vervielfältigt werden? Das geht nur durch das Schneeballsystem, d. h., dass man überall Leute hat, die die Dinge ein bisschen in die Hand nehmen." (aus: Calies/Penz: 85).

Gerhildt Calies und Susanne Sengstock (online)

G. Calies/L. Penz, "Gott hat mir ein ganzes Land geschenkt". Interview mit A. Grosch, in: R. Rohrandt (Hg.), "... der Frauenarbeit ein Gesicht geben". Festschrift für Annemarie Grosch zum 70. Geburtstag, Neumünster: Frauenwerk 1984, 73-102.

I. Sembritzki: Von Neumünster nach Stein und zurück, in: R. Rohrandt (Hg.), "... der Frauenarbeit ein Gesicht geben". Festschrift für Annemarie Grosch zum 70. Geburtstag, Neumünster: Frauenwerk 1984, 103-109.

Renate Augustin, Maria Jepsen, u.a., Frauen in der Zeit des Kirchenkampfes und danach, in: Karl Ludwig Kohlwage, Manfred Kamper, Jens-Hinrich Pörksen (Hrsg.): "Was er euch sagt, das tut!" Der Wiederaufbau der schleswig-holsteinischen Landeskirche nach dem Zweiten Weltkrieg. Dokumentation einer Tagung in Breklum 2017. Zusammengestellt und bearbeitet von Peter Godzik, Rudolf Hinz und Simeon Schildt, Husum: Matthiesen Verlag 2018, S. 99-118.