Paul M. Dahl, Miterlebte Kirchengeschichte. Die Zeit der Kirchenausschüsse in der Ev.-Luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins 1935-1938. Manuskript abgeschlossen 1980, für das Internet überarbeitet und hrsg. von Matthias Dahl, Christian Dahl und Peter Godzik 2017.
Kontroversen innerhalb der BK und die 2. Bekenntnissynode
Die Zeit nach der 1. Bekenntnissynode ist geprägt von Kontroversen innerhalb der BK und der BK mit anderen kirchlichen Gruppierungen wie der Lutherischen Kameradschaft.
Inzwischen war eine neue kirchenpolitische Situation eingetreten, die Ära der Kirchenausschüsse, ein Versuch (man sagte: ein gut gemeinter Versuch) des Kirchenministers, durch von ihm berufene Gremien, in denen BK-Vertreter mitwirken sollten, Einheit und Frieden in der Ev. Kirche wieder herzustellen. Der Bruderrat war sich nicht einig, ob er sich an diesem staatlichen Unternehmen beteiligen sollte. Es gab Hardliner, die sagten: auf keinen Fall, wir haben einen eigenen kirchenleitenden Anspruch, den die Bekenntnissynode ausdrücklich gefordert hat, Zusammenarbeit mit den DC ist Irrlehre. Und es gab die Kompromissbereiten, die sich für eine Kooperation aus ganz pragmatischen Gründen aussprachen, vor allem wegen der "Fürsorge für den theologischen Nachwuchs".
Ausbildung, Prüfung, Ordination und Anstellung der Vikare waren eine zentrales Problem für die BK SH. Pastor Halfmann als Abgeordneter der BK im Landeskirchenamt war der Gewährsmann für eine bekenntnismäßige Lösung dieses Problems. Seine Position im LKA wollte der Bruderrat auf alle Fälle sicherstellen, aber er erkannte auch den unaufhaltsamen Aufstieg des Oberkirchenrats Dr. Kinder, ehemals Leiter der reichsweiten DC-Bewegung, an die Spitze der SH Landeskirche und ihr damit einhergehende Umformung zu einer "Einmann-Kirche", in der nur noch er das Sagen hatte, kein Bischof, keine Kirchenleitung, keine Synode, kein Landeskirchenamt. Können wir in diesem System mitmachen? Was ist die vom Bekenntnis geforderte Position? Was ist recht vor Gott? Die Antwort sollte auf der der 2. Bekenntnissynode gefunden werden, und das war schwieriger als ein Jahr zuvor.
Die 2. Bekenntnissynode war eine Synode der Krise und der Kampfansage. In ihren Beschlüssen lehnt sie Dr. Kinder als Präsident des LKA vehement ab und fordert eine dem Bischof gleichgestellte Position für den aus ihren Reihen kommenden Oberkonsistorialrat Halfmann, zuständig für alle Nachwuchsfragen. In dieser Position sieht die BK, wie sie es schon mehrfach zum Ausdruck gebracht hatte, die entscheidende Wahrnehmung der von ihr beanspruchten geistlichen Leitung. Mit der ersten Forderung scheitert die BK, die Ausbildungs- und Nachwuchsfrage aber kann sie in ihrem Sinne regeln, solange Halfmann Oberkonsistorialrat ist, nämlich bis zu seiner Entlassung im September 1937. Die BK-Mitglieder im Landeskirchenausschuss werden aufgefordert zurückzutreten, was die Pastoren Adolphsen und Dr. Mohr ablehnen. Damit wird der Bruderrat an den Rand der Spaltung geführt, aber er bleibt zusammen, allerdings geschwächt.
Die 2. Bekenntnissynode ist keine Sternstunde der BK mehr, der große Wurf ist die 1. Synode mit ihrer Analyse der geistig-theologischen Situation und ihren Konsequenzen. Immerhin hatte Halfmann es erreicht, dass dieses zentrale Anliegen der BK, nämlich Prüfung, Ordination und Pfarrstellenbesetzung, so geregelt wurde, dass die bekenntnistreuen Kandidaten diese Regelung akzeptieren konnten. Dabei scheint es geblieben zu sein, auch als Dr. Kinder die Oberherrschaft in der Landeskirche übernommen hatte und einem immer stärker hervortretenden deutschkirchlichen Kurs vertrat mit: Primat der NS-Weltanschauung, judenfreiem Christentum, Absage an den sog. Weltprotestantismus.
Karl Ludwig Kohlwage
Aus: Karl Ludwig Kohlwage, Manfred Kamper, Jens-Hinrich Pörksen (Hrsg.): "Was vor Gott recht ist". Kirchenkampf und theologische Grundlegung für den Neuanfang der Kirche in Schleswig-Holstein nach 1945. Dokumentation einer Tagung in Breklum 2015. Zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Hinz und Simeon Schildt in Zusammenarbeit mit Peter Godzik, Johannes Jürgensen und Kurt Triebel, Husum: Matthiesen Verlag 2015, S. 29 f.