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Schon sehr bald, im Herbst 1935, wurde ein volksmissionarisches Amt gegründet, das unter dem Vorsitz von Pastor Lorentzen, Kiel, arbeitete. Diese Volksmission, verbunden mit apologetischer Arbeit, wurde in den Bekenntnisgemeinschaften geleistet, die in vielen Gemeinden sich bildeten. Ihre Mitglieder erhielten die bekannte rote Karte und trugen durch ihre Beiträge zur Ermöglichung der Arbeit bei. (Johann Bielfeldt, Der Kirchenkampf in Schleswig-Holstein 1933-1945, Göttingen 1964, S. 191)

Im Frühjahr 1936 wurde auch ein "Amt für Gemeindeaufbau" gebildet, in dem unter Leitung von Pastor Wester eine Reihe von Amtsbrüdern aus Stadt- und Landgemeinden die Frage behandelten, wie man den vielfach schlafenden Gemeinden zu neuem Leben verhelfen und eingerissene Unordnung durch bessere Ordnung ersetzen könne. Sammlung eines Gemeindekerns, mehr biblische Unterweisung, Zurüstung von Mitarbeitern, waren Fragen, die hier durchdacht wurden. Besonders mußte man sich in diesem Kreise natürlich mit der Konfirmationsnot befassen, um so mehr als in der Zeit des Nationalsozialismus der Religionsunterricht teils ganz ausfiel, besonders dann während des Krieges, teils in nicht christlichem Geiste erteilt wurde. Die Frucht dieser Überlegungen war eine "Handreichung für den Konfirmandenunterricht". Von der Konfirmationsfrage kam man auf das Problem der Kindertaufe und weitere Fragen des Gemeindelebens und der Gemeindeordnung. Die Frucht dieser Arbeit war schließlich der Entwurf einer "Ordnung des kirchlichen Lebens". Diese Ordnung wurde nach dem Kriege nach weiterer Durcharbeitung von der Generalsynode der Vereinigten evangelisch-lutherischen Kirche angenommen. Sie ist also eine Frucht der Arbeit des Bruderrates der Schleswig-Holsteinischen Bekenntniskirche. (Johann Bielfeldt, Der Kirchenkampf in Schleswig-Holstein 1933-1945, Göttingen 1964, S. 192)

Vgl. dazu: Paul M. Dahl, Das Werben um die Gemeinde, in: ders., Miterlebte Kirchengeschichte. Die Zeit der Kirchenausschüsse in der Ev.-Luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins 1935-1938. Manuskript abgeschlossen 1980, für das Internet überarbeitet und hrsg. von Matthias Dahl, Christian Dahl und Peter Godzik 2017, S. 55-61.

Arbeitsschwerpunkte und konkrete Maßnahmen der BK - ein erstaunliches ekklesiologisches Konzept

Auf der Grundlage der Referate werden dann in vier Ausschüssen (Theologie, Erziehung und Unterricht, Recht, Gemeindeaufbau und Volksmission) Beschlussvorschläge diskutiert und formuliert. In den von der Synode angenommenen Beschlüssen finden wir die Grundaussagen der Vorträge wieder: Warum eine Bekenntnissynode? Weil wir einen Notstand haben. "Es gilt, eine neue geistliche Führung und Autorität in der Landeskirche zu bilden, durch welche das Bekenntnis der Kirche solange vor dem Volk bezeugt wird, als der gegenwärtige Notstand andauert."

Was ist jetzt zu tun? Drei Schwerpunkte hält die Synode fest:

1. Die Wiederherstellung von Recht und Ordnung. "Als das Bekenntnis verlassen wurde, ging auch die Rechtsordnung in Trümmer." Das ist eine Grunderfahrung der BK: mit demVerrat des Bekenntnisses zerbricht die Ordnung. Botschaft und rechtliche Ordnung gehören zusammen, auch hier ist Barmen mit der 3. These vernehmbar.

2. Gemeindeaufbau auf der Grundlage von Schrift und Bekenntnis, alle Repräsentanten der Gemeinde sind dieser Grundlage verantwortlich und nicht parteipolitischen oder sonstigen Verpflichtungen.

Über die Einzelgemeinde hinaus ist die BK eine missionierende Kirche, "die planmäßig und sorgfältig Volksmission betreibt". Dabei lässt sich die Erfahrung machen: wo der Kampf mit Sünden und Irrlehren nicht gescheut wird, da horchen die Menschen auf.

3. Die im Augenblick brennende Aufgabe, "in der die geistliche Führung der BK ... am sichtbarsten hervortritt, ist die Fürsorge für die Heranbildung und Ordination des theologischen Nachwuchses, der sich unserer Leitung anvertraut hat", d. h. der sich nicht mehr dem Landeskirchenamt und dem Predigerseminar unterstellt.

Aufgrund dieser Aufgabe lässt sich Pastor Halfmann als kommissarischer Oberkonsistorialrat in das LKA berufen, um die Verantwortung für diese Aufgabe zu übernehmen, in einer freikirchlichen Struktur oder im Aufbau eines neuen BK-Ausbildungs- und Prüfungswesen sah er mit der BK Schleswig-Holstein keine Möglichkeit.

In drei Aufgabenfeldern gibt die Bekenntnissynode ihrem Maßstab "Was recht ist vor Gott" konkreten Ausdruck:

Der Ausschuss für Erziehung und Unterricht unterstreicht die in der Taufe angelegte Verpflichtung zur christlichen Erziehung in einer Situation, in der der christliche Charakter der Schule und des Religionsunterrichtes ernsthaft bedroht ist und in der seit langem "Unklarheit darüber herrscht, was denn überhaupt christliche Unterweisung sei". Viele erwarten ein helfendes und klärendes Wort der Kirche. Die Synode erklärt: "Grundlegend für alle christliche Unterweisung und Erziehung ist es, dass Eltern, Lehrer und Pastoren sich als Glieder der christlichen Gemeinde unter die Autorität des Wortes Gottes und des christlichen Bekenntnisses stellen."

Der Rechtsausschuss unter Prof. K. D. Schmidt stellt wie P. Herntrich die Zerstörung der rechtlichen Grundlagen des Landeskirche fest und entwirft unter der Maßgabe des Not- und Selbsthilferechtes eine verbindliche rechtliche Struktur der BK mit drei Organen: Bekenntnissynode, Landesbruderrat, von der Bekenntnissynode berufen und ihr verantwortlich, und Präsidium der Bekenntnissynode, das über die Durchführung der Synodenbeschlüsse wacht und künftige Synoden vorbereitet.

Der Ausschuss "Gemeindeaufbau und Volksmission" entwirft ein detailliertes Arbeitsprogramm mit den Schwerpunkten: Bibel- und Bekenntniskreise in den Gemeinden, Veranstaltung von Freizeiten, Vorträgen und Volksmissionswochen sowie die Schulung von dafür notwendigen Mitarbeitern, Aufbau einer planmäßigen Schriftenmission, die gezielte Hilfestellung gibt für die argumentative Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist.

Es ist ein erstaunliches ekklesiologisches Konzept, ein erstaunliches Bild von Kirche, das diese 1. Bekenntnissynode in Schleswig-Holstein entwirft, bestimmt von wenigen Schwerpunktthemen: Theologie, Ausbildung, Recht, Unterricht, Gemeindeaufbau, Volksmission, und doch von umfassender Weite, für mich am eindrücklichsten dabei der dezidierte Wille zur Öffentlichkeit, dieser offensive missionarische Wille, für den Strukturen geschaffen werden, die Handlungsfähigkeit gewährleisten.

Die großen Reichsbekenntnissynoden haben Hilfestellung geleistet, aber unter der Devise "Was vor Gott recht ist" trägt dieses Konzept doch ein deutliches schleswig-holsteinisches Profil, das die Neugestaltung der Kirche nach 1945 geprägt hat. Die Autoren dieses Konzeptes sind bis auf Prof. Schmidt von der Theologischen Fakultät Kiel und Pastor Herntrich von der Theologischen Hochschule Bethel sog. einfache Pastoren, die erkannt hatten, was die Stunde von ihnen forderte und zu einer schnellen Reaktion fähig waren. Pröpste, Bischöfe oder eine Theologische Abteilung des LKA standen ihnen nicht zur Seite. Präzedenzfälle hatte es bis dahin in der schleswig-holsteinischen Kirchengeschichte nicht gegeben, die maßgebenden Akteure standen vor einer völlig neuen Situation und haben etwas geleistet, was unseren Respekt verdient.

Zum Öffentlichkeitswillen und zur Handlungsfähigkeit der BK Schleswig-Holstein gehört auch die umgehende Publizierung des umfangreichen Synodenberichtes durch die Missionsbuchhandlung Breklum. Einzelteile des Berichts wurden als Flugblätter zusammen mit BK-Beitrittsformularen zur Massenverteilung gedruckt.

Breklum erweist sich dabei als Glücksfall der BK. Die Breklumer Mission ist unabhängig von der Landeskirche, sie hat - außerordentlich wichtig! - eine eigen Druckerei, und sie ist von ihrem Auftrag her immunisiert gegen eine völkisch-nationale Kirche, die nur für die Deutschen da ist und Artfremdes abstößt. Hier hat die Botschaft vom Heil Gottes in Christus für alle Menschen eine Heimat, und von hier aus kann der Widerstand gegen die Zerstörung des Evangeliums, die Verächtlichmachung des biblischen Glaubens und die rassistische Knebelung der Kirche organisiert werden. Das ist Breklums historisches Verdienst, dokumentiert in einer Fülle von volksmissionarischen Schriften, die in hoher Auflage vertrieben und reichsweit als eine besondere Leistung der BK Schleswig-Holstein anerkannt wurden.

Karl Ludwig Kohlwage

Aus: Karl Ludwig Kohlwage, Manfred Kamper, Jens-Hinrich Pörksen (Hrsg.): "Was vor Gott recht ist". Kirchenkampf und theologische Grundlegung für den Neuanfang der Kirche in Schleswig-Holstein nach 1945. Dokumentation einer Tagung in Breklum 2015. Zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Hinz und Simeon Schildt in Zusammenarbeit mit Peter Godzik, Johannes Jürgensen und Kurt Triebel, Husum: Matthiesen Verlag 2015, S. 25 ff.