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Ergebnis des Kirchenkampfes

Der Kampf zwischen Bekenntnis und Irrglauben, um Sein oder Nichtsein des ev. Christentums in Deutschland ist entschieden worden durch den Zusammenbruch des NS-Staates 1945.

Ich zitiere noch einmal aus der großen Kirchenkampf-Vorlesung von K.D. Schmidt kurz vor seinem Tod 1964: Wenn "diese natürliche Volkstums- und Rassereligion" mit ihrer Blut-und-Boden-Ideologie, mit ihrer theologischen Rechtfertigung des NS-Staates als einer neuen Offenbarung Gottes, mit ihrem Gott in der Tiefe der deutschen Seele, mit ihrer Abschaffung des Alten Testamentes und wesentlicher Teile des Neuen Testaments, mit ihrer Ablehnung des sog. Weltprotestantismus, also der Ökumene, wenn diese Religion auf breiter Front gesiegt und die ganze evangelische Kirche überrannt hätte, "so wäre es um das Kirche-Sein der evangelischen Kirche in Deutschland geschehen gewesen. Das also ist das Erste und wohl auch das Größte, was die zunächst kleine Minderheit, aus der dann die BK wurde, erreicht hat, dass die evangelische Kirche 'Kirche' blieb".

"Kirche muss Kirche bleiben" war die Parole des Kirchenkampfs. Es war keine nach hinten gewandte Parole, obwohl es Stimmen gab, die 1945 einfach an die Zeit vor 1933 anknüpfen wollten: Wir machen weiter, wo wir 1933 aufhören mussten und betrachten die 12 Jahre NS-Herrschaft als eine Art Betriebsunfall. Das ging nicht. Der Kirchenkampf war keine durch einen unglücklichen Zwischenfall ausgelöste Episode, die man jetzt abhaken konnte, sondern hat zu einer Besinnung von Grund auf genötigt: Was macht die Kirche zur Kirche?

Vieles von dem, was die BK wollte, hat erst im Kirchenkampf klare Konturen angenommen. So geschieht es bei Auseinandersetzungen: Sie schärfen die Einsicht in das Nötige und Verbindliche und schaffen damit Neues. Das gilt eindeutig für die Ergebnisse des Kirchenkampfs. Er hat zu theologischen und institutionellen Impulsen von erneuernder und prägender Kraft geführt.

Ich nenne dafür einige Beispiele und greife noch einmal auf mein Referat 2015 zurück:

Mit der Ablehnung des NS-Staates als neuer Offenbarung Gottes wurde die Glauben und Kirche konstituierende und tragende Offenbarung Gottes in Jesus Christus neu entdeckt und bezeugt, wie es die 1. Barmer These in bleibender Prägnanz ausdrückt.

Die Theologie bekam als Schrifttheologie einen neuen Rang, und Theologie wurde confessio: Hier stehe ich!

Ein neues Lesen der Bibel begann und wurde gezielt gefördert. Der Kern der Kirche wurde die um Wort und Sakrament versammelte Gemeinde - aber immer mit einem volkskirchlichen Anspruch, die BK wollte keine auf sich selbst konzentrierte Freikirche sein.

Die Trennung von äußerer und innerer, sichtbarer und unsichtbarer Kirche erwies sich als verhängnisvolle Zugriffsmöglichkeit für politische Kräfte mit chaotischen Folgen. Diese Trennung ist falsch. "Botschaft und rechtliche Ordnung gehören zusammen" wurde eine Grundeinsicht der BK.

Die BK erkannte und praktizierte ihren Öffentlichkeitsauftrag mit Leidenschaft und Witz, besonders in Schleswig-Holstein: Wir sind keine Winkelkirche!

Ein Schwerpunkt im Kampf der BK In Schleswig-Holstein war das Amt, das im Namen Gottes mit Vollmacht reden und handeln muss und dessen Qualifikation für diesen Auftrag von fundamentaler Bedeutung ist. Dieses Amt darf nicht in die Hände der Kirchenzerstörer fallen.

In den Auftrag der Kirche sind Laien verantwortlich miteinbezogen. Die Bauern von Hans Treplin, die über den "Schietgott" der Berliner DC-Abgeordneten spotteten, hatten ebenso Anteil am Verkündigungsauftrag der Kirche wie die Kirchenältesten in Havetoft, die mit Otto von Stockhauses wöchentlichen Briefpredigten von der Front Gottesdienst hielten.

Die Laienbewegung der Nachkriegszeit, die Qualifizierung von Nichttheologen, der Kirchentag, die Ev. Akademien, die Kultur der öffentlichen Kirche haben ihre Wurzeln im Kirchenkampf. Er schuf auch neues Vertrauen zur Kirche in Kreisen, die traditionell der Kirche fernstanden, und legte die Grundlage für ein neues Verhältnis zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche.

Die ökumenischen Auswirkungen des Kirchenkampfes sind unübersehbar: was hätten die Alliierten mit einer evangelischen Kirche gemacht, die nach Art des LKA-Präsidenten Dr. Kinder oder Bischof Paulsens mit Haut und Haaren ein integraler Teil des NS-Systems geworden wäre? Wen hätte die ökumenische Delegation im Oktober 1945 besuchen können, um die Hand auszustrecken zu einem Neuanfang?

In dieser Skizze können wir die Eckpunkte des Neuanfangs, der erneuerten Kirche erkennen. Schmidts Urteil lautet: "Man wird nicht zuviel behaupten, dass in dem allen der Kirche eine wirkliche Erneuerung geschenkt wurde."