Gemeindehelferinnen
Hanerau-Hademarschen: Seminar für kirchlichen Frauendienst
Schon kurz nach Kriegsende und der Teilung Deutschlands in vier unterschiedliche Besatzungszonen war für die Mitarbeitenden des Burckhardthauses, die sich im Westteil des Landes befanden, evident, dass man mit Schule und Zentrale nicht dauerhaft nach Berlin zurückkehren konnte. U.a. hätten sich die potentiellen Schülerinnen aus den Westgebieten einen Besuch der Schule in Berlin nicht vorstellen können bzw. sei er aus Gründen der Reisebeschränkung auch nicht möglich gewesen.
Bereits Mitte 1945 begann man deshalb mit der Suche nach einem geeigneten Haus für eine Neueröffnung der Bibelschule in einer der drei westlichen Zonen. Volkmar Herntrich, der seinen Dienstsitz selbst in Hamburg hatte, stellte den Kontakt zu Pfarrer Peters in Hanerau-Hademarschen, einem Dorf in der Nähe von Rendsburg, her.
Peters war durch die Heirat in eine Pädagogenfamilie in den Besitz eines ehemaligen Internats gekommen. 1945 waren dort Flüchtlinge untergebracht. Im September erhielt der Verband dann die Erlaubnis zur Errichtung der Schule in Hanerau, trotz der Bedenken der Oberin Hulda Zarnack aufgrund der abgeschiedenen Lage.
Barbara Thiele übernahm von ihrem Wohnort Lübeck aus die Hauptarbeit für die Organisation im Vorfeld: "Ich sehe schon kaum durch, wie ich das von Lübeck aus in die Wege leiten soll, zumal sonst noch kein Mensch ganz frei dafür ist."
Im Oktober konnte der Seminarbetrieb dann endgültig beginnen, und obwohl "bewährte" Kräfte wie Anna Paulsen, Barbara Thiele und Volkmar Herntrich weiterhin im Seminar unterrichteten und teilweise auch wohnten (Thiele), setzte der Verband, zumindest in der theologischen Leitung, auf eine jüngere Mitarbeiterin - die Vikarin und ehemalige Leiterin des ostpreußischen Landesverbands Ilse Ultsch.
Neben Ultsch und Thiele wohnte noch Hanna Germer mit im Internat, die Aufgaben im Unterricht und als Hausmutter übernahm. Auch die Landesstelle des Burckhardthauses in Schleswig-Holstein war im Gebäude in Hanerau untergebracht, sodass entgegen Zarnacks Befürchtungen doch zumindest eine minimale Anbindung an den Verband gewährleistet war.
Wie die Schwesterschule in Dahlem war auch das Seminar in Hanerau von der Währungsreform im Jahr 1948 stark betroffen, schloss das Haushaltsjahr mit einem anderthalbmal so großen Defizit wie die Schule in Dahlem ab und war ebenfalls von der Schließung bedroht.
Nach der Währungsreform normalisierte sich aber einiges und die räumliche wie die Lebensmittelsituation verbesserten sich. Ab 1949 hoffte man besonders in der Verbandsleitung auf einen baldigen Umzug des Seminars in die neue Zentrale nach Gelnhausen.
Dieser verzögerte sich aber immer wieder, weil die erste Etage der "Weißen Villa" vom Finanzamt der Stadt beschlagnahmt blieb: "So müssen wir uns noch in Geduld fassen, was mir recht schwer wird. [...] Ein Burckhardthaus ist kein richtiges Burckhardthaus ohne die Schule." (Hulda Zarnack)
Erst mit dem Neubau des Bettenhauses 1950/51, der durch die Unterstützung aus dem amerikanischen McCloy-Fonds möglich wurde, rückte die Übersiedlung der Schule in greifbare Nähe. Als der Seminarbetrieb dann am 7. Januar 1952 in Gelnhausen beginnen konnte, war es wohl auch höchste Zeit.
Die Schülerinnenzahlen in Hanerau gingen schon 1950 merklich zurück, was sicher nicht zuletzt an den im Vergleich zu anderen Schulen schlechten Lernbedingungen und der abgeschiedenen Lage der Schule lag. Hier kann man Hulda Zarnack mit ihren Bedenken tatsächlich recht geben: "Von Jahr zu Jahr ist es deutlicher, dass eine Schule, die junge Menschen ausbilden soll für den Dienst an der Jugend, die mitten im Leben und Existenzkampf steht, nicht einsam auf einem Dorf bleiben kann."
So resümierte auch Barbara Thiele für die Hanerauer Zeit im Jahr 1971: "Im Rückblick scheinen mir die Hanerauer Jahre im Flug vergangen. Für den Übergang waren sie richtig und sinnvoll. Jetzt war es an der Zeit, dass breitere Kontakte mit der 'großen weiten Welt' begannen." (Rebecca Müller, Ausbildung zur Gemeindehelferin, S. 286 ff.)
Breklum: Katechetisches Seminar
Die erste kirchliche Neugründung nach dem Krieg im Sommer 1945 in Breklum war das Katechetische Seminar zur Ausbildung von Katecheten/innen für die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit in Schleswig-Holstein. Uwe Pörksen erinnert sich dazu an Gespräche mit seinen Eltern:
"Das katechetische Seminar entstand in einer Nachtstunde bei dem Besuch von Gertrud Friedrich. Sie kam aus Breslau, wo sie die Leitung der kirchlichen Jugendarbeit in Schlesien gehabt hatte vom Burckhardthaus aus, beauftragt mit dem letzten Transport nach Berlin. Sie fragte damals den leitenden Geistlichen des Burckhardthauses, Pastor Herntrich: 'Haben Sie eine Aufgabe für mich?' Und er sagte: 'Melden Sie sich in Breklum, Pastor Pörksen sucht dringend eine Mitarbeiterin.' Sie kam mit Rucksack, allem ihrem Gepäck. Und wir begannen am Abend ein Gespräch - Mutter ging schon längst zur Ruhe - über die zukünftige Arbeit. Unter anderem waren wir uns einig: Wir wollten ein katechetisches Seminar begründen.
Gertrud Friedrich war eine fromme, weltoffene Frau mit großer Ausstrahlung, ein Glücksfall für Breklum. Wenige Wochen nach Kriegsende lud Pörksen mit ihr zusammen ein zu einem Seminar mit dem Thema: 'Der christliche Glaube'. Es meldeten sich siebzig Leute. Wo sollte man die alle unterbringen? Das Missionshaus war von englischen Soldaten belegt, das Martineum vom Kieler Kinderheim der Ausgebombten und von unser großen Familie.
Die Stuben von Schneider Ketelsen und dem Bruder, dem Sattler, diese Ladenstuben im Dorf wurden belegt. Im Sanatorium wurde die grün angestrichene Gartenbude belegt und bei Bauer Bade die Knechtekammer neben dem Stall. Gertrud Friedrich war nahezu verzweifelt wegen der vielen Anmeldungen. Und wie unterschiedlich waren sie. Unter den Teilnehmern war Prof. Jüls, ein Professor für Atomphysik, ein Oberstaatsanwalt, eine Reihe früherer BDM-Mädchen, 6 Soldaten usw.
Alle Vorträge und Versammlungen mussten in der Breklumer Kirche stattfinden, das gemeinsame Essen auf den breiten Fluren des Martineums und bei gutem Wetter draußen auf dem Rasen. Es war eine unglaublich bewegte und ertragreiche Zeit. Und dieser Kurs beschloss am Ende: 'Jetzt wollen wir ein richtiges katechetisches Seminar haben.' Nach dem Zusammenbruch Deutschlands und des Nationalsozialismus und nach dem Ende des Krieges wollten viele mithelfen, der jungen Generation mit dem christlichen Glauben eine Zukunftsperspektive für ihr Leben zu geben.
Noch im Herbst 1945 begann Breklum mit der Ausbildung. Nach 7 Monaten konnten die ersten 15 Gemeindehelfer/innen in die Kirchengemeinden vermittelt werden. Ab Herbst 1946 wurde die Ausbildung zur Gemeindehelferin auf 2 Jahre verlängert. Zwischen dem ersten und dem zweiten Jahr fand ein Gemeindepraktikum statt. Für die Leitung des Katechetischen Seminars konnte neben der Oberin Frau Gertrud Friedrich als Leiter Pastor Dr. Wilhelm Andersen aus Tetenbüll gewonnen werden.
Breklums Jahresbericht weist erstaunliche Zahlen aus: 'Katechetische Kurzkurse bis zu 4 Wochen sind vom Sommer 1945 bis Juni 1947 zwölf gehalten worden mit 322 Teilnehmern, davon 272 Frauen und 50 Männern. Wir haben erwartet, dass das Verlangen nach diesen Kurzkursen nachlassen würde, das ist aber nicht der Fall. Gerade für die Kurzkurse dieses Jahres sind überraschend viele Anmeldungen da, mehr als wir aufnehmen können.'
Im Juni 1947 befinden sich 53 Seminaristen im Katechetischen Seminar, davon im zweijährigen Seminar 38, von denen im Augenblick 22 im Praktikum stehen in Gemeinden unserer Landeskirche. Im Oktober 1955 feierte das Katechetische Seminar sein 10-jähriges Bestehen. 160 Gemeindehelfer/innen haben in diesen 10 Jahren ihr Examen bestanden und standen beim Neuaufbruch der Kinder- und Jugendarbeit den Gemeinden zur Verfügung.
Durch die Gemeindehelfer/in-Ausbildung entwickelten sich zahlreiche neue Verbindungen von Kirchengemeinden zur Arbeit der äußeren und inneren Mission Breklums. So wurde Breklum nach 1945 in neuer Weise wieder zu einem Zentrum des Aufbruchs und der Neuorientierung in unserer Landeskirche Schleswig-Holstein."
Aus: Karl Ludwig Kohlwage, Manfred Kamper, Jens-Hinrich Pörksen (Hrsg.): "Was vor Gott recht ist". Kirchenkampf und theologische Grundlegung für den Neuanfang der Kirche in Schleswig-Holstein nach 1945. Dokumentation einer Tagung in Breklum 2015. Zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Hinz und Simeon Schildt in Zusammenarbeit mit Peter Godzik, Johannes Jürgensen und Kurt Triebel, Husum: Matthiesen Verlag 2015, S. 234 f.
Vgl. dazu: Rebecca Müller, Ausbildung zur Gemeindehelferin. Das Seminar für kirchlichen Frauendienst im Burckhardthaus e.V. 1926-1971, Stuttgart: Kohlhammer 2014, bes. S. 286 ff. und 314 f.
Annebelle Pithan (Hrsg.), Religionspädagoginnen des 20. Jahrhunderts, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993.