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Wilhelm Knuth (1905-1974)

Wilhelm Knuth, geboren am 8. Oktober 1905 in Nübel bei Schleswig, ordiniert am 3. Mai 1931, Pastor der Friedensgemeinde Altona seit 5. Mai 1932, in den Ruhestand versetzt 15. Februar 1934, Pastor in Düneberg 3. Mai 1934, zum Kriegsdienst eingezogen 26. August 1939, an die Matthäuskirche Hamburg-Winterhude berufen 1. Juli 1941, daselbst in einem Urlaub im August 1941 eingeführt, Heimkehr aus russischer Gefangenschaft 3. Mai 1950, Propst in Flensburg 2. Mai 1954, pensioniert 31. Oktober 1970, verstorben in Flensburg 24. Januar 1974.

Willi Knuth war mit seiner Schwester und seinen vier Brüdern als Pastorensohn in der Angeliter Gemeinde Nübel und als Schüler der Domschule Schleswig aufgewachsen. Er studierte in Tübingen und Kiel. Beim zweiten theologischen Examen saß er ganz allein der Prüfungskommission von Bischöfen und Professoren gegenüber. Zum höchsten Erstaunen ließ er sich nicht gleich in die Kandidatenliste der Schleswig-Holsteinischen Landeskirche aufnehmen. Er ging als bereits examinierter Student nach Berlin, sog in sich, was diese alma mater der "guten 20er Jahre" bot, und arbeitete intensiv unter Siegmund-Schultze in dessen Vorstoß in die sozialen Nöte jener Generation in Berlin-Wedding mit. Dieses Jahr hat ihn stark geprägt.

Als Vikar bei Pastor Georg Christiansen in Altona betreute er den Jugendkreis, welcher von den Kommunisten ordentlich Hiebe bezog. Am 3. Mai 1931 wurde er ordiniert und am 5. Mai 1932 Pastor an der Friedenskirche in Altona. Im Sommer 1932 zog der junge Pastor zu einem Gemeindeausflug los: Voran ein Posaunenchor, hunderte Gemeindeglieder marschierten Choräle und fröhliche Lieder singend durch die Straßen parallel der Großen und Kleinen Freiheit St. Pauli, zu den Altonaer Landungsbrücken. Dort nahm ein gecharterter Dampfer sie auf zu einer Elbfahrt. Die Teilnehmer haben diesen Tag als wunderbare Befreiung in der schweren Lage von damals empfunden. Ausflüge hatten damals überhaupt noch keinen Raum im kirchlichen Leben. Und das in dem Grenzgebiet von St. Pauli! Das war ein unerhörtes Unternehmen, Frucht der Mitarbeit bei Siegmund-Schultze.

Da kam es am 17. Juli 1932 zum "Altonaer Blutsonntag". Gerade in dem Bezirk an der Königstraße und der Friedenskirche am Brunnenhof gerieten Sturmabteilung und "Rotfront", Hitlerkämpfer und Kommunisten, in einer furchtbaren Explosion aneinander. 17 Menschen sollen von Dächern und aus Häusern erschossen worden sein. Man muß sich diese Situation vergegenwärtigen, um die quälende Verantwortung eines Wilhelm Knuth und eines Hans Asmussen richtig beurteilen zu können. Die beiden wurden wesentliche Initiatoren und Mitverfasser des "Altonaer Bekenntnisses" vom 11. Januar 1933. Der "Altonaer Blutsonntag" war ein Fanal des politischen Hasses - das "Altonaer Bekenntnis" war Aufbruch des Glaubens und der seelsorgerlichen Verantwortung der Kirche.

Nach Hitlers Berufung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 fegte der Sturm der NS-Bewegung nicht nur die Bischöfe Adolf Mordhorst und Eduard Völkel auf der sogenannten "Räubersynode" in Windeseile hinweg, sondern zog die gewaltsam installierten Leitungsgremien unserer Landeskirche in den Sog der "Gleichschaltung" mit Gewaltanwendung ohne Rücksicht nach nationalsozialistischer Methode.

Der Altonaer Propst Peter Schütt war ein sonderlicher Vorkämpfer nationalsozialistischer Politisierung der Kirche. Das "Altonaer Bekenntnis" sandte wie ein Leuchtfeuer an der Küste erste Strahlen der Erkenntnis über das aufgewühlte Meer der Begeisterung und das Irrlicht der Vernebelung. Es drang bis ins Ausland durch. In der nur zu gut begreiflichen Befreiung aus bitterer Armut, drückender Arbeitslosigkeit, politischer Verhetzung und Knechtung unseres Vaterlandes war die erste Erkenntnis darüber, wohin es führen mußte, eine Geburt unter unvorstellbaren Gewissensqualen.

Hans Asmussen und Willi Knuth wurden am gleichen Tage, dem 15. Januar 1934, telegrafisch vom Landesbischof beurlaubt und durch Beschluß des evangelisch-lutherischen Landeskirchenamts Kiel vom 30. Januar 1934 zum 15. Februar 1934 in den Ruhestand versetzt. Sie hatten nicht schweigen können. Ihr Rufen wirkte prophetisch in dem Taumel, welcher sich zum Teufelswerk steigern sollte.

Der ehrwürdige, treue Landessuperintendent von Lauenburg, Ernst Lange, holte sich Wilhelm Knuth in die 1931 gegründete Pfarrstelle Düneberg. Solch einen Pastor brauchte er für diese Industriegemeinde (Munitionsfabrikation). Das war von Kiel aus gesehen eine willkommene Stellung ins Abseits. Aber Knuth wurde Mitglied des Bruderrates der Bekennenden Kirche in Schleswig-Holstein. Von diesem wurde ihm die Betreuung der Vikare übertragen, welche 1935 in einer schmerzvollen Entscheidung die Streichung aus der landeskirchlichen Kandidatenliste hingenommen hatten. Der Vernunft mag manches überspitzt erscheinen. Das Gewissen kann sich aber nicht gefangen geben, was es auch koste. Seelsorge am einzelnen war ebenso ernst wie die neu zu ordnende Ausbildung, Prüfung und Ordination insgesamt.

Die "Evangelischen Wochen" waren eine Gemeindebewegung von tief- und weitreichender Wirkung. An den Vorbereitungen und der Durchführung dieser volksmissionarischen Großveranstaltungen war Knuth mit persönlichem Einsatz dabei. Wohl nur die überaus zahlreiche und intensive Beteiligung der erweckten Christenheit damals machte die Unterdrückung selbst dem allmächtigen Nationalsozialismus unmöglich. Die Verantwortlichen standen ständig und standhaft unter Bedrohung.

Der Erlaß des Führers und Reichskanzlers vom 15. Februar 1937, welcher Wahlen zu einer Generalsynode anordnete, war noch ein Versuch, die Evangelische Kirche gleichzuschalten: "... Die Kirche soll in voller Freiheit nach eigener Bestimmung des Kirchenvolkes sich selbst die neue Verfassung und damit eine neue Ordnung geben ..." Die 16. Notverordnung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche verbot die Benutzung von Kirchen zu Wahlzwecken. Andere Gebäude zu Wahlversammlungen durften sowieso nicht benutzt werden. Öffentliche Versammlungen zur Vorbereitung der Wahl, wie auch Verbreitung von Flugblättern waren verboten. Pastor Knuth war vom Bruderrat aufgetragen worden, die Gemeinden durch Information auf dem Laufenden zu halten. Das letzte seiner vielen Rundschreiben des Wahlausschusses, welches die Adressaten noch einmal erreichte, habe ich auf einer Fahrt in den Harz und nach Thüringen nur je ein Exemplar in die Postkästen an dem langen Weg eingeworfen. Mehrere Exemplare wurden unweigerlich beschlagnahmt. Zur Wahl kam es nie.

Dieser Auftrag des Bruderrates war für Knuth persönlich gefährlich. Nach dem 15. Februar 1937 wurden etwa 500 evangelische Pfarrer und Gemeindeglieder verhaftet. Am Mittwoch, dem 23. Juli 1937, wurden aus einer Sitzung des Reichsbruderrates im Chorraum der Kirche am Friedrich Werderschen Markt in Berlin acht Teilnehmer aus Berlin, Düsseldorf, Stettin verhaftet. An dieser Sitzung hatte Pastor Knuth für Schleswig-Holstein teilgenommen. In diese Zeit fiel auch die Verhaftung Martin Niemöllers. In der Kanzelabkündigung des Bruderrates der Altpreußischen Union vom 2. Juli 1937 kommt zum Ausdruck, was auch für Knuth gilt: "... Wir bezeugen, daß es Pfarrer Niemöller wie auch allen übrigen um ihres kirchlichen Dienstes willen verhafteten Pfarrer und Gemeindegliedern um die Ehre Gottes in unserem Volk geht und um den Gehorsam gegen Gottes Wort. Wo es darum geht, ist das Gewissen eines Christenmenschen gebunden. Wo es darum geht, muß ein Pfarrer eher leiden als schweigen, wenn er ein guter Hirte der Gemeinde sein will. Es ist nicht geraten, etwas gegen das Gewissen zu tun."

Unter den Kämpfern um Wort und Bekenntnis ist Wilhelm Knuth ein Beispiel für Gewissensanfechtung und Gewissenstreue.

Rudolf Hoffmann

Aus: Wolfgang Prehn u.a. (Hrsg.), Zeit, den schmalen Weg zu gehen. Zeugen berichten vom Kirchenkampf in Schleswig-Holstein, Kiel: Lutherische Verlagsgesellschaft 1985, S. 197-199.