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Altoberin Rosemarie Mandel

Rosemarie Mandel (1918-1987)

Oberin und Pastorin[1] Rosemarie Mandel

"Die theologische Stellung der cand. [Kandidatin], insbesondere zu den Bekenntnisschriften, ist einwandfrei. Ihre Liebe zum Herrn ist innig. Kirchenpolitisch gehört sie der BK [Bekennenden Kirche] an",[2] stellte Pastor Haase, Vikariatsleiter in Neumünster, zur angehenden Vikarin Rosemarie Mandel am 30. September 1942 fest. Diese Beurteilung der damals 24-Jährigen ist umso bemerkenswerter, als ihr Vater, der Theologe und Religionswissenschaftler Hermann Mandel (1882-1946), ein entschiedener Gegner der Bekennenden Kirche war und seine antisemitische "nordisch-arische Wirklichkeitsreligion" in zahlreichen Publikationen und Vorlesungen, zuletzt als Direktor des "Instituts für Rassenkundliche Geistesgeschichte" an der Universität Kiel, propagierte.

Rosemarie Mandel wurde am 21. August 1918 in Rostock geboren. Sie studierte Theologie in Kiel, Erlangen und Rostock und wurde - nach erfolgreichem Ablegen des ersten und zweiten theologischen Examens - im Frühjahr 1944 als Vikarin eingesegnet. Um diese "Einsegnung" hatte es im Vorfeld heftige Auseinandersetzungen gegeben. So war in der Einladung von der "Ordination" Mandels zu lesen, was nach geltendem Kirchenrecht der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schleswig-Holsteins aber nicht möglich war. Dort hatte man nämlich 1941 verfügt, dass Frauen zwar zu Theologinnen ausgebildet werden könnten, deren Ordination zum vollen Pfarrdienst aber abgelehnt. Sie konnten lediglich als Vikarinnen tätig sein. Begründet wurde dies mit einem angeblichen "wesensmäßigen" Unterschied zwischen Mann und Frau, der mit biblischen Zitaten untermauert wurde. Zentral war die Aussage: Die Frau habe in der Kirche zu schweigen. Aber vermutlich spielte auch in der Bekennenden Kirche der Wunsch, bestehende Geschlechterhierarchien aufrechtzuerhalten, eine bedeutende Rolle.

Pastor Haase, der ja durchaus lobende Worte für Rosemarie Mandel gefunden hatte, untermauerte die Haltung der Landeskirche. Er wies darauf hin, dass eine unverheiratete und "alternde" [!] Vikarin eine "objektiv menschliche Unerfülltheit" entwickeln und diese mit einem unerwünschten "Geschlechtsehrgeiz" kompensieren würde. Dieser müsse notwendigerweise auch ihre Verkündigung beeinflussen. Daher bestünde die Gefahr, "dass der gesund empfindende Mann der Verkündigung durch eine Vikarin spürbar ablehnender gegenübersteht als die Frau". Es dürfte daher, so Haase weiter, "sachlich gerechtfertigt" sein, die Arbeit einer ausgebildeten Theologin auf die gemeindliche und mehr diakonische Frauen- und Kinderarbeit zu beschränken.

Erst nachdem in der Einladung das Wort "Ordination" durch "Einweisung"[3] ersetzt worden war, durfte diese verteilt und Rosemarie Mandel als nunmehr eingesegnete Vikarin die Leitung der Frauenhilfe in Neumünster übernehmen. Sie selbst bezeichnete sich späterhin immer als "ordiniert".

1948 wurde sie zur Oberin der Diakonissenanstalt Flensburg berufen. Auch hier tat man sich mit der ausgebildeten Theologin zunächst etwas schwer. Zwar schätzte man ihr Wissen, ihre Bildung und nicht zuletzt ihre freundliche, zugewandte Art, zugleich fürchtete man aber auch eine gewisse Konkurrenz zum Anstaltsleiter. Pastor Adolf Thomsen räumte ein, dass die Wahl Mandels ein "großer Entschluss" für die Anstalt sei, sah diese Entscheidung indes als Fügung Gottes: "Aber wir sind nun so geführt worden und bitten den Herrn, dass Er aus der Theologin eine rechte Diakonisse macht." So dienten Aufenthalte in den Diakonissenanstalten in Bethel (als einfache Probeschwester) und in Neuendettelsau nicht nur der Erweiterung der Kenntnisse Mandels in der Krankenpflege, sondern auch dazu, eine dienende Haltung im Sinne Bodelschwinghs und Löhes zu entwickeln.

Während Rosemarie Mandels Vorgängerin, Schwester Hanny Funcke (1871-1946), vor allem die wirtschaftliche Seite ihrer Amtsführung betont hatte, legte die neue Oberin großen Wert auf die geistliche Führung der Schwesternschaft, die ab Ende der 1950er Jahre mit ganz erheblichen Nachwuchssorgen zu kämpfen hatte. Aber nicht nur Diakonissen und Verbandsschwestern bezog Rosemarie Mandel in ihre seelsorglichen Bemühungen ein, auch die Schülerinnen der Krankenpflegeschule und sogar das Haus- und Küchenpersonal lud sie zu Retraiten ein.

Fast dreißig Jahre lang übte Rosemarie Mandel das Amt der Oberin aus, bis sie aus Krankheitsgründen um ihre Ablösung bat. Dass ihr im Juni 1977 mit Sibilla Schäfer (* 1939) ganz selbstverständlich eine ordinierte Pastorin nachfolgen sollte, mag Rosemarie Mandel mit einer gewissen Genugtuung erfüllt haben.

Sie verstarb am 27. November 1987.

 

Dr. Ulrike Winkler, 7. Februar 2017

www.schmuhl-winkler.de


[1]    Zeit ihres Lebens blieb Rosemarie Mandel der Titel der "Pastorin" verwehrt, in ihrer Todesanzeige stand er hingegen zu lesen.

[2]    Landeskirchliches Archiv Kiel (LKAK), 12.03, Nr. 785 (Personalakte Rosemarie Mandel). Ich danke Michaela Bräuninger für die Überlassung ihrer Mitschriften.

[3]    Freundliche Mitteilung von Herrn Kirchenarchivoberamtsrat Ulrich Stenzel, Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, 3.5.2016. Herr Stenzel teilte zudem mit, dass lediglich in "einem Teil der Einladungen" das Wort "Ordination" zugunsten des Wortes "Einweisung" gestrichen wurde. Vikarin Elisabeth Haseloff (1914-1974), die seinerzeit die Predigt hielt, sprach von einem "Einweisungsgottesdienst".