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Heinz Eduard Tödt (Bildrechte: Dr. Jens Christian Commentz)

"Es wäre ganz falsch, wenn ich meine damalige Einstellung mit dem Wort 'politischer Widerstand' charakterisieren würde. Ja, bei aller Kritik, die ich hatte, war ich doch nicht einmal ein wirklicher politischer Oppositioneller, eben weil ich keine politische Alternative sah. Nur die Form der Resistenz, die sich im Kirchen­kampf entwickelte, nämlich die strikte Ablehnung der ideologischen Infiltra­tion der Kirche mit völkischer Ideologie, war für mich eine klare Sache. Daß die Kirche nicht von diesem Staat beherrscht werden dürfe, daß sie sich nicht anzupassen habe, sondern in ihrer Eigenheit selbständig das NS-Regime zu überdauern habe, davon war ich überzeugt. Die großen Untaten des Regimes, zum Beispiel das, was wirklich in den Konzentrationslagern geschah, blieben meinen Augen verborgen. Auch die antijüdischen 'Nürnberger Gesetze' vom September 1935 haben mich nicht wirklich alarmiert. Ich fand sie schlecht und unpassend. Aber in unserem ganzen Kreise Eiderstedt gab es keinen ein­zigen Juden. Ich habe das böse Schicksal der Juden, die Not so vieler durch das Fehlen irgendeines arischen Blutsanteils belasteter Menschen und Fami­lien nicht wahrgenommen und darüber nichts erfahren, was sich meinem Gedächtnis tief eingeprägt hätte. So schwer war es offenbar sogar bei einer grundsätzlichen Absage an den Nationalsozialismus, zu konkreter Wahrneh­mung seiner schlimmsten Taten und zu irgendwelchen Formen wirksamer Gegenwehr zu kommen. Ich denke, daß dies kein Versuch der Selbstrecht­fertigung ist - denn zu rechtfertigen ist das ja nicht -, sondern eine eher analytische Beschreibung, in welcher Situation ich mich befand, in welchen Perspektiven ich lebte, welche Optionen ich offen sah oder nicht zu erken­nen vermochte. Die Alternativlosigkeit, in der wir zu leben glaubten, ist viel­leicht das charakteristische Signum dieser Zeit 1933-1935." (Heinz E. Tödt, Autobiographische Erinnerungen ..., S. 171)

Heinz Eduard Tödt (1918-1991)

Heinz Eduard Tödt. Vom Hitlerjugendführer in Eiderstedt zum Theologieprofessor in Heidelberg. Ein Mann der Bekennenden Kirche - in Nazizeit und Nachkriegszeit, der in den Listen der BK Schleswig-Holstein nicht auftaucht,

von Jens-Hinrich Pörksen

"Im Pastorat des nordfriesischen Dorfes Bordelum an der Grenze von Marsch und Geest kamen innerhalb von 10 Jahren wir sechs Geschwister zur Welt."

Wenige Jahre mit einer für Heinz Eduard schwierigen Schulzeit folgten in Neumünster, wo der Vater tätig war in einer Außenstelle der Ricklinger Anstalten der Inneren Mission. Die entscheidenden Jahre der Kindheit und Jugend in Garding erlebte er auf Eiderstedt an der Nordsee, wohin der Vater Anton Tödt 1939 als Propst berufen wurde. Er besuchte in Husum als Fahrschüler das Hermann-Tast-Gymnnasium und bestand dort am 1. Febr. 1937 das altsprachliche Abitur. Er galt als begabter Schüler mit Vorlieben für alte Sprachen, las abends privat zusammen mit seinem Vater Tacitus auf Latein und übersetzte für sich selbst Platons Politeia als Gesamtwerk vom Griechischen ins Deutsche.

Den Konfirmandenunterricht bei seinem Vater hat er in guter Erinnerung, und zeitlebens blieb ihm sein Konfirmationsversprechen wichtig. Eine kirchliche Jugendgruppe gab es nicht. Er war begeisterter Fußballjunge im Gardinger Sportverein und wurde 1933 Mitglied im Jungvolk.

"Recht bald, ich muß wohl 16 gewesen sein, war ich Stammführer des Jungvolks in Eiderstedt und somit für 600 Jungen verantwortlich. Mein Freund und Klassenkamerad Franz Dunker wurde ziemlich gleichzeitig Stammführer in Husum. Wir saßen die Schuljahre hindurch bis zum Abitur nebeneinander in der Klasse, und ich war oft zu Gast im Haus seiner Eltern. Sein Vater, Direktor einer Husumer Bank, hielt sich in der Nazizeit zu den Gottesdiensten von Pfarrern der Bekennenden Kirche. Meine Führungskünste bei den Jungen des Stammes Eiderstedt ... basierten auf autodidaktischer Improvisation. Der Bannführer ... hauptamtlich ... saß in Schleswig und hatte Wichtigeres zu tun, als in Eiderstedt nach dem Rechten zu sehen. Unsere Aufgaben waren ... Geländeübungen in einer Mischung von Wanderungen und vormilitärischer Ausbildung z.B. imitierendes Exerzieren ... wöchentliche Heimabende mit weltanschaulicher Erziehung meistens am Nachmittag durchgeführt ... Organisation von Fahrten in ferne Gaue des Deutschen Reiches ... Was ich unternahm, das tat ich alles ohne Ausbildung. Erst im Sommer 1934 griff die Führerausbildung auch nach mir. Ich wurde für vier Wochen in ein Zeltlager an den Brahmsee in Holstein beordert und hier wurden wir vor allem gründlich "geschliffen." Im Lager am Brahmsee mögen circa 600 Jungvolk- und Hitlerjugendführer aus Schleswig-Holstein und Hamburg gewesen sein. So war ich erstaunt, als man eines Tages auf mich zuging und mich fragte, ob ich im September an einem Auslesekurs in der Gebietsführerschule in Malente-Gremsmühlen teilnehmen wolle. Der Kurs von vier Wochen fiel in die Schulzeit, aber ich konnte es mir erlauben, einige Wochen zu fehlen ...

Der Besuch dieser soldatisch ausgerichteten Gebietsführerschule hatte für mich weitere Folgen. Ich wurde ausgewählt für den Besuch der Reichsjugendführerschule - der auch wieder in die Schulzeit fiel. In den Sommerhalbjahren 1934 und 1935 habe ich wie das Herbstzeugnis jeweils vermerkte, mehr als 50 Unterrichtstage gefehlt, wesentlich wegen der HJ-Auslesekurse ...

Im Frühherbst 1935 nahm ich also an einem Auslesekurs in Berlin/ Potsdam teil. Wir waren achtzig Jungen - Hitlerjugend- und Jungvolkführer ... Die Partei mühte sich sorgfältig um den Nachwuchs für sich, die SS und die Parteiorganisationen. Berlin - das war für mich als Junge vom Lande die große Welt, der Mittelpunkt des Reiches ... Auf dieser Schule ging es nicht um vormilitärische Ausbildung, sondern um weltanschauliche Schulung und Sichtung des Parteinachwuchses. Es war schon imponierend, was uns in Vorträgen und Empfängen geboten wurde. Wir wurden von Joseph Goebbels im Reichspropagandaministerium empfangen, wir trafen uns mit Alfred Rosenberg. Ausgezeichnete Vertreter der Wehrmacht und der SS kamen mit Vorträgen zu uns. Es ging nicht um Propaganda, sondern um echte Schulung ...

... Wenige Tage danach waren wir beim Reichsjugendführer Baldur von Schirach. Aus der Nähe betrachtet sah er genau aus wie auf den Photos: etwas weichlich und aufgedunsen im Gesicht, nicht gerade der von der Ideologie präsentierte nordische und männliche Idealtyp. Aber dem blieben auch Goebbels und Rosenberg sehr fern. Schirach hielt eine lange und offenherzige, sozusagen intime Rede. Er war sich wohl der unbedingten Loyalität seiner jungen Gefolgschaft gewiss. Mit Zorn sprach er davon, dass noch immer der beste Nachwuchs in die Wehrmacht und in die Kirchen gehe, und erklärte, dass diesem Zustand ein Ende gemacht werden müsse. Dann äußerte er sich über die Zukunft der Kirchen. Ihr Schicksal werde es sein, immer mehr eingeschnürt und aus der Öffentlichkeit verdrängt zu werden. Der nationalsozialistische Glaube und die Veranstaltungen, in denen er Gestalt und Ausdruck finde, werde an ihre Stelle treten. Dies war das allererste Mal, dass ich von einem Mann aus dem mit Hitler und seinen Absichten vertrauten nationalsozialistischen Führungskreis klare Aussagen hörte, wie man sich zum Christentum und zu den Kirchen zu verhalten gedenke unter der Voraussetzung der Unvereinbarkeit von Kirche und Partei. Was ich geahnt hatte, was aber immer wieder abgestritten wurde, das legte Schirach hier nun in vertraulicher Rede wieder offen dar. Damit war ich vor ein eindeutiges Entweder-Oder gestellt.

Nachdem ich mir überlegt hatte, was das Gehörte bedeutete, kam ich zu einem Entschluss. Ich ging zu dem Lehrgangsleiter und erklärte ihm, dass ich Theologie studieren wolle, dass Baldur von Schirach die Unvereinbarkeit von Nationalsozialismus und christlichen Kirchen ausgesprochen habe und dass ich daher beabsichtige, meinen Tornister zu packen und nach Hause zu fahren, dass ich also um den entsprechenden Fahrschein bitte." (S. 53) ...

"Eines Tages in der Oberprima sollten wir - ohne alle Vorbereitung - unseren  Bildungsgang beschreiben ... Der Aufsatz ist wie die Aufsätze der Klassenkameraden, im Hermann Tast-Gymnasium aufbewahrt worden." November 1936, Zitate daraus:

"im Winter 1934/35 habe ich die Grundlagen des 19. Jhdt. von Houston Stewart Chamberlain gelesen ... Schriften von Paul de Lagarde und Rosenbergs Mythos des 20. Jahrhundert. Ganz besonders beschäftigt mich die Frage des Verhältnisses von Rassenlehre und Religion ... Lassen sich die Grundlagen des Christentums mit den Grundlagen des NS, dessen Weltanschauung im biologischen Denken begründet ist, vereinen? ... Ich glaube, dass das deutsche Volk niemals um die Wahrheiten des Christentums herumkommt, ohne selbst innerlich daran zugrunde zu gehen ... In diesem Kampf mit zu ringen um das Beste und Innerste des deutschen Volkes, sehe ich für meine Pflicht und Aufgabe an. Darum steht es für mich seit dem Frühjahr 1935 fest, dass ich Theologie studieren muß. Ein anderer Weg ist für mich innerlich unmöglich." ... S. 69 ff.

Besonders aufschlussreich für die Glaubens- und Frömmigkeitswelt von Tödt in Elternhaus und Kirchengemeinde ist der Abschnitt Vorstellungswelt 1934-1936, S. 54-59. Er beginnt: "Die lutherische Familienfrömmigkeit, die in meinem Elternhaus lebte, hatte uns die Feste und Festzeiten des Kirchenjahres nahe gebracht, z.B. das gemeinsame Singen der Advents- und Weihnachtslieder ... Eiderstedt war seit der Aufklärung ein recht unkirchliches Gebiet und hatte im Unterschied zu anderen Landschaften wie Nordfriesland und Ostholstein keine virulente Erweckungsbewegung erfahren, trotzdem war der Kirchenbesuch in Garding einigermaßen befriedigend." ... "Neben meine politisch-weltanschauliche Lektüre war schon früh diejenige theologischer Schriften und Bücher getreten." Im Bücherschrank von Propst Anton Tödt standen die Werke der neulutherischen Theologie aus Erlangen, Schriften von Althaus, Elert, Emanuel Hirsch und Gogarten. Die Zeitschrift "Das Deutsche Volkstum" von Wilhelm Stapel. "Diese Theologie, die gegen den Einfluß Karl Barths, des von 1921-1935 in Deutschland lehrenden reformierten Theologen aus der Schweiz und gegen die entschiedene Bekennende Kirche gerichtet war, könnte man als Anpassungsideologie charakterisieren. Aber so wirkte die neulutherische Theologie nicht auf mich ... wer die Schriften zum Beispiel von Gogarten gründlich las, wie ich es tat, der merkte schon die Vorbehalte und Einschränkungen, die er für jede Weltanschauung geltend machte: Keine von ihnen könne das tun, was das Evangelium bewirke, nämlich Vergebung der Sünden schenken und also das Heil vermitteln, und jede müsse sich dieser Einschränkung bewusst bleiben und den Raum frei lassen für das Wirken des Evangeliums. Diese Einschränkungen aber kollidieren mit dem Totalitätsanspruch vieler Nationalsozialisten und mit dem geradezu religiösen Anspruch, der in ihm steckte und in vielen Äußerungen hervortrat. Das Dritte Reich, charakterisiert als tausendjähriges Reich, war eine neue Variante der chiliastischen, schwärmerischen Traditionen, welche im Abendland immer lebendig gewesen sind, nun aber in ganz säkularisierter und politisierter Form. Der Führerkult verlieh Adolf Hitler geradezu die Züge eines die Äonen wendenden, heilsbringenden Messias." S. 57 ... "Für die Schulung in Hitlerjugend und Jungvolk wurde - ich meine es war 1936 - eine Schrift von Gustav Frenssen verteilt, die den Titel "Der Glaube der Nordmark" trug. Frenssen, Pastor in Dithmarschen und durch mehrere Bücher als Schriftsteller bekannt, vollzog hier den Übergang vom Christen- und Kirchenglauben zu einer völkischen Gottgläubigkeit - ein Schritt, der wegen der Popularität Frenssens spektakulär wirken musste. Das Heft "Glaube der Nordmark" gab ich im Gebiet meines Jungstammes nicht weiter. Die Fähnleinführer des Stammes, darunter Ernst Appenfeller in Tönning und ebenso mein Freund Franz Dunker, der Stammführer in Husum, machten diese germanisch-gottgläubige Schulungsrolle nicht mit. An ihr und an dem Druck, der auf SS-Angehörige und Parteifunktionäre im Sinne eines Kirchenaustritts ausgeübt wurde, erkannte ich, dass der Konflikt zwischen Nationalsozialismus und Christentum sich auf Initiative der Partei verstärkte." ... S. 58 f.

Der junge Tödt zieht Bilanz, S. 62 f.: "Ich war überzeugt, dass der christliche Glaube allein mich auf den richtigen Weg führen werde. Diese Überzeugung wirkte in der Situation von 1935 paradox. Die christlichen Kirchen wurden offensichtlich an den Rand gedrängt. Insbesondere die evangelischen Kirchen waren in sich selbst gespalten, vereinfacht gesagt in drei Gruppen: die überzeugten Deutschen Christen, welche die christlichen Traditionen mit völkischen Vorstellungen verbanden, wobei letztere das Übergewicht bekamen; sodann die kirchliche Mitte, die zu vielen Kompromissen mit den Nationalsozialisten bereit war, zumal die Kategorien Volk und Rasse auch in ihr theologisches Denken mehr oder weniger stark eingedrungen waren; schließlich die entschiedene Bekennende Kirche, welche die Freiheit der Kirche und der Verkündigung von diesem Staat und von der in ihm maßgebenden Weltanschauung zu verteidigen suchte. Vertreter dieser dritten Richtung, junge Pastoren, Vikare und Studenten, präsentierten sich in der Gardinger Gemeinde auf einer "Volksmissionsfahrt" in eindrucksvoller Weise. Die Entschiedenheit ihrer Evangeliumsverkündigung ließ mich ahnen, was Kirche in jenen Jahren hätte sein können. Der durchschnittliche Zustand der lutherischen Volkskirche zeichnete sich umso kümmerlicher ab." ... "Die Dinge - so empfand ich wohl - hatten ihre Logik, ihre Klarheit und ihre Notwendigkeit in sich selbst und ließen mich daher meinen Weg in innerer Ruhe einschlagen. Daraus mag auch mein merkwürdiges Verhalten hervorgegangen sein, dass ich über meine Entscheidung, Theologie zu studieren, meinen Eltern nichts sagte. Dies kam erst heraus, als wir an unserem großen Familientisch - selten unter zehn Personen - den jungen Pastor Pörksen zu Gast hatten. Er fragte mich, den Primaner, interessiert, was ich nach dem Abitur vorhätte, was ich werden wolle. Ich antwortete ihm, dass ich Theologie studieren werde, eine Aussage, die meinen Eltern die Sprache verschlug. So ging es nicht nur den Eltern, sondern auch anderen, die mich kannten. Die meisten erwarteten, dass ich die Offizierslaufbahn einschlagen würde. Typisch für diese Erwartung war ein Gespräch, dass mein hochgeschätzter Gymnasialdirektor Bracker mit mir führte."

Tödts Lebenslauf für die ersten Jahre nach dem Abitur war vorgegeben. Nach dem Abitur folgte der Arbeitsdienst und anschließend wurde er zum Wehrdienst eingezogen. Dann begann der zweite Weltkrieg.

Tödt schildert in seiner Autobiographie seine Zeit als Soldat und später als Offizier in Einheiten der 30. Infanteriedivision in Polen, an der Westfront und im Russlandfeldzug. Er berichtet ausführlich vom Vormarsch an der Ostfront, von den Kämpfen im Kessel von Demjansk, vom Rückzug und den Abwehrkämpfen in Kurland. Als junger Hauptmann der Reserve wurde er am 2. September 1944 für seine Tapferkeit als Chef einer Artillerie-Batterie mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet. Er beschreibt, wie er versucht, in schwierigen Situationen als Christ zu handeln. Er schildert die Niederlage, die fünf Jahre in sowjetischer Gefangenschaft, die Heimkehr und den Beginn seines Theologiestudiums.

Heinz Eduard Tödt wird Theologieprofessor in Heidelberg. Von 1963-1982 lehrt er an der Heidelberger Universität: Systematische Theologie, Ethik und Sozialethik. Die Theologie und die Kirche verdanken ihm viel, unter anderem die wissenschaftliche Gesamtausgabe der Werke Dietrich Bonhoeffers und Initiativen zur Friedensforschung. Sein bedeutendster Schüler wird Wolfgang Huber, der spätere Bischof und Ratsvorsitzende, der bei Tödt in Heidelberg promoviert und sich danach bei ihm habilitiert hat. In den sechziger Jahren, in den harten Auseinandersetzungen an der Universität Heidelberg mit den engagierten Studenten der außerparlamentarischen Opposition und beim Beginn theologischer Friedens­forschung gemeinsam mit Professor C. F. von Weizsäcker war der Theologieprofessor Tödt in Heidelberg die treibende Kraft und anerkannter Sprecher der Theologischen Fakultät.

In seiner Predigt im Trauergottesdienst am 30. Mai 1991 sagte Bischof em. Wolfgang Huber, sein ehemaliger Promovent und Assistent in Heidelberg: Am Palmsonntag 1932 wurde Heinz Eduard Tödt gemeinsam mit seinen beiden älteren Geschwistern in der Gardinger Kirche konfirmiert. Ihr gemeinsamer Konfirmationsspruch stammt aus der Offenbarung des Johannes (2,10): Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Huber sagte in seiner Predigt: ?Das Leben, das in der ersten Stunden des vergangenen Sonnabends zu Ende ging, ist selbst eine Predigt über diesen Satz, ... weil in ihm, im Jahr 1935, als der Siebzehnjährige dem damaligen Jugendführer Baidur von Schirach begegnete, eine bewusste Entscheidung gegen die Verführung der Macht und für die Treue zum gnädigen Gott fiel. Diese Entscheidung war so ungesucht wie unausweichlich. Um ihretwillen wurde die Erzählung über die Versuchung Jesu in der Wüste für Heinz Eduard Tödt zu einem der wichtigsten Abschnitte des Neuen Testaments."...

Jahrzehnte nach dieser Lebensentscheidung ist er an einer für seinen Lebensweg entscheidenden Stelle, in dem Vortrag vor der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes im Jahr 1977, auf die Geschichte von der Versuchung Jesu zurückgekommen. Dort heißt es: "Er (der Versucher) bietet ihm die Macht und Herrlichkeit aller Reiche der Welt, um ihm vom Weg abzubringen, der vor ihm liegt, nämlich vom Weg des Leidens. Jesus lehnt ab, denn alle Selbsthilfe und Macht, alle Herrlichkeit des Menschen wird eine satanische Welt hervorbringen, wenn nicht in ihrer Mitte eines bleibt: das aufopfernde Dasein für andere, das Mitleiden mit dem Nächsten, das uns ihm näher bringt als selbst das gemeinsame Handeln ... Weltverantwortung, die aus dem Glauben entspringt, wird vom wahren Mitleiden geleitet, sie wird darum ringen, dass die Leiden in dieser Welt mit allen dem modernen Menschen zur Verfügung stehenden Mitteln verringert werden, die Bereitschaft zum Dienst in der Nachfolge Jesu aber sich über diese Erde verbreitet ..." (S. 414 f.)

Heinz Eduard Tödt wurde schon als Primaner ein herausragender Vertreter der Bekennenden Kirche in Schleswig-Holstein.

(Zitate aus Heinz Eduard Tödt, Wagnis und Fügung. Anfänge einer theologischen Biographie, Berlin 2012.)

Weitere Literatur:

  • Heinz Eduard Tödt, Autobiographische Erinnerungen zum Konflikt zwischen Protestantismus und Nationalsozialismus bis 1935, in: ders., Komplizen, Opfer und Gegner des Hitlerregimes. Zur "inneren Geschichte" von protestantischer Theologie und Kirche im "Dritten Reich". Hrsg. von Jörg Dinger und Dirk Schulz, Gütersloh: Chr. Kaiser 1997 [postum], S. 162-171.
  • Albert Schäfer, Theologie und Biografie. Der Sozialethiker Heinz Eduard Tödt (1918-1991), in: evangelische aspekte (im Internet).